The five laws of Library Science / S. R. Ranganathan – 1

Vorwort / P.S. Sivaswamy Aiyer

Ranganathan kam aus einem Land, dass zu seinen Lebzeiten um Unabhängigkeit von Großbritannien und um eine neue Regierungsform für sich selbst kämpfte. Lange hatten Mächte von außen das Land regiert. Nun sollte Indien eine Demokratie werden, in dem das Volk selbst regierte. Daher hier schon am Anfang immer wieder die Verbindung zwischen Bibliotheken (als Synonym für Informationsvermittler) und Demokratie, die Information braucht. So heisst es z.B.

„The library movement is the result of democratic influences which obtained an ascendancy towards the end of the last century. The desire to extend the benefits of learning to the people at large suggested the foundation of numerous public libraries.“ (S. xxi)

Einerseits sind Bibliotheken also das Ergebnis demokratischer Einflüsse. Anderseits sind Bibliotheken überlebenswichtig für eine funktionierende Demokratie, denn Bibliotheken vermitteln Information. Information wird zu Wissen und Wissen ist am Ende Macht. Daher kann eine Demokratie – wo das Volk der Souverän ist – nur funktionieren, wenn alle Zugang zu Information haben. Demokratie braucht Information für alle, nicht nur für bestimmte Klassen.

Bibliotheken dienen als Vermittler der Information. Ihre Aufgabe ist es, dem Volk die Information, die es braucht, zur Verfügung zu stellen. Die Frage ist: inwieweit werden in der modernen Welt, in der Welt des Internets noch Bibliotheken gebraucht? Wie können Bibliotheken noch dieser Aufgabe gerecht werden? Oder haben andere, wie Google, diese Aufgabe übernommen? Braucht es noch Bibliotheken?

„Libraries are now regarded not as precious possessions to be jealously preserved from the intrusion of the vulgar, but as democratic institutions for the profit and enjoyment of all.“ (S. xxi)

Früher waren Bibliotheken für das gemeine Volk verschlossen. Klosterbibliotheken dienten in erster Linie dazu, Bücher (aufzu)bewahren. Es ging in diesen Bibliotheken nicht um den Nutzer der Bücher, sondern um das Buch. Andere Bibliotheken waren vielleicht einer Elite geöffnet, aber das Volk, dass sowieso nicht lesen konnte, durfte und konnte die Bibliotheken nicht benutzen.

Aber auch zu Ranganathans Zeiten war dieses Ziel von Bibliotheken – trotz öffentlicher Bibliotheken – immer noch nur beschränkt erreichbar. Information war vorhanden und auch verfügbar, aber sie war an ein Medium, dem Buch gebunden. Wenn man Information brauchte, musste man in eine Bibliothek gehen und die nächste Bibliothek war nicht immer um die Ecke. Auch wenn die Bibliothek das gewünschte Buch nicht verfügte, konnte man es immer noch durch die Bibliothek über den Mechanismus der Fernleihe erhalten. Bibliotheken machten also Information verfügbar, aber es war manchmal ein langer, schwieriger Prozess.

Heute haben wir das Internet, dem Netz, über das Information in Sekundenbruchteilen einmal um die Welt geschickt werden kann. Mit Satellitentelefonen ist man auch im tiefsten Dschungel und der weitesten Wüste an diesem Netz angeschlossen. Barrieren zur Information gibt es noch immer (die Infrastruktur muss vorhanden sein), aber in diesem Zeitalter sind nicht mehr die Bibliotheken die Schnittstelle zur Information. Das nächste Internet Cafe kann diese Funktion übernehmen.

Brauchen wir also Bibliotheken und Bibliothekare? Vielleicht liegt die Antwort im Folgenden: Zu Ranganathans Zeiten (und noch mehr davor in den Klosterbibliotheken) gab es einen MANGEL an Information. Bibliotheken dienten dazu, diesen Mangel zu beseitigen. Heute gibt es eine SCHWEMME, eine ÜBERSCHWEMMUNG von Information. Der Informationsnutzer ist genausowenig wie damals dazu in der Lage für ihn relevante Information zu finden, weil er mit so viel irrelevanter Information förmlich überwältigt wird. Die Zeiten haben sich geändert, aber der Mensch bekommt noch immer nicht die Information, die er braucht. Es gibt zwar Institutionen die die Aufgabe des Vermittlers übernehmen wollen, aber auch sie sind irgendwie noch auf Recall (41 349 567 Treffer zum Thema …) ausgerichtet, anstatt auf Relevanz. Können Bibliotheken das besser?

Noch etwas über die Suchmaschinen: eines ihrer Ziele ist, ihre Besitzer, die Aktionäre, reich zu machen. Ihr Ziel ist nicht, wie bei den Bibliotheken, in erster Linie Information zu vermitteln (das waren vielleicht mal die Anfänge), sondern ihr Ziel ist es Geld zu verdienen. Die Informationsbedürfnisse der Menschen werden dafür gebraucht (oder missbraucht?). Es ist ein Weg, irgendwas irgendwie zu verkaufen. Das ist der Unterschied zu Bibliothekaren. Bibliothekare möchten nichts verkaufen, sie möchten nicht die Aktionäre reich machen. Sie wollen in erster Linie Information vermitteln. Das ist noch ein großer Bonus, den sie haben. Am Ende sind sie die ehrlicheren Informationsvermittler. Aber können sie diesen Bonus anwenden? Wollen sie diesen Bonus einsetzen?

Ranganathan

Der indische Bibliothekar S. R. Ranganathan ist in der deutschsprachigen Bibliothekswelt nicht so bekannt, wie in der anglo-amerikanischen. Aber es lohnt sich, Ranganathan zu lesen, vor allem, wenn man sich gleichzeitig mit Themen wie Bibliothek 2.0 beschäftigt. Denn Ranganathan formulierte vor 80 Jahren schon Regeln, die den Forderungen der Bibliothek 2.0 Bewegung sehr entsprechen.

Artikel über Ranganathan in der deutschen Wikipedia.

Artikel über Ranganathan in der englischen Wikipedia.

Ich möchte mich in den nächsten Monaten mit Ranganathan beschäftigen. Dazu möchte ich seine „Five Laws of Library Science“ lesen und seine Gedanken, und meine, die ich zu seinen habe, hier in diesem Blog notieren.